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Murat Haschu, 1023: Lyrische Suite von Alban Berg, Videostill, 2021

Der Wiener Komponist glaubte fest an die Macht des Schicksals und hatte laut seinem Schüler und Freund Theodor W. Adorno einen Hang zur „unendlichen Geheimniskrämerei” und Mystik aller Art.

In Mai 1925, auf dem Höhepunkt seiner Karriere, lernt Alban Berg die verheiratete Hanna Fuchs kennen. Die Liebe zu ihr, so hoffnungslos wie pathetisch, stürzt ihn in eine Lebenskrise. Während seine gutbürgerliche Fassade zu bröckeln beginnt, treibt die künstlerische Seite unerhörte Blüten. Besessen von der Idee, dass Hanna ihm vorbestimmt ist, webt er die geheim gehaltenen Sehnsüchte in die Komposition der „Lyrischen Suite“ für Streichquartett ein. Berg arbeitet wie ein Dombaumeister und berechnet alles bis ins kleinste Detail, um geheime Botschaften in der Musik zu codieren: Das Stück ist zum Bersten voll von verschlüsselten Anagrammen, Zitaten und Zahlenspielen. Bekannt wird dies erst fünfzig Jahre später mit der Entdeckung seiner geheimen Briefe an Hanna, die fast zehn Jahre lang von Wien nach Prag gingen. Als Postillions d’amour dienten unter anderen Theodor W. Adorno, Alma Mahler und Franz Werfel.

Geleitet von dem Wunsch, diese für völlig verkopft gehaltene Musik als Einblick in die Gefühlswelt des Komponisten, als sein musikalisches Psychogramm zu erleben, ist „1023“ mehr als ein klassisches Konzert: Das Publikum erwartet eine crossmediale Collage. Simultan zur Aufführung der „Lyrischen Suite“ durch das Schumann Quartett – „eine der allerbesten Formationen der jetzigen Quartettblüte“ (SZ) – präsentiert der Videokünstler Murat Haschu seine Interlinearversion der Musik auf drei Projektionsflächen. Zudem führt Moderatorin Rebecca Maria Salentin in die Entstehungsgeschichte des Werkes ein und rezitiert aus Bergs Briefen.
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Schumann Quartett © Kaupo Kikkas
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Rebecca Maria Salentin © Enrico Mayer

FUN FACT

Der 20. Mai 1925 war der Tag der Liebeserklärung. Berg hat dann diesen Tag in der Musik verewigt und ihn weitere zehn Jahre „gefeiert“.
„Jetzt bin ich wieder so 'gesund', dass ich weiterhin einsam bleiben kann. Aber am 20. Mai 1935 - am unvergesslichen Jahrestag - musst Du so stark an mich denken, dass das Gefühl der Einsamkeit für Augenblicke schwindet. Tu dies, meine Hanna!“
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